Spielkritik: PRIM (2024)

Noir, Mythologie und Point-and-Click unter einem Hut

Mit PRIM stellt das Indie-Studio Common Colors unter der Leitung von Jonas Fisch und mit Publisher Application Systems Heidelberg an der Seite ein kleines, aber äußerst liebevoll gestaltetes Grafik Adventure vor. In Hinblick auf Rätseldesign kommt das Spiel zwar nicht an die ganz großen Titel heran, macht viele seiner Schwächen jedoch mit der einzigartigen Grafik und eigentümlichen Story wett.

Screenshot des Point-and-Click-Adventures "PRIM". Prim steht auf einem vollgekramten, spärlich beleuchteten Dachboden, während eine weitere Person die Leiter zum Dachboden hinaufklettert.

Kurz vor ihrem 16. Geburtstag stirbt Prims Mutter. Ihren Vater kannte sie nicht – bis jetzt. Schockiert stellt sie fest, dass Thanatos, laut der griechischen Mythologie der Gott des Todes, ihr Vater ist. Nun soll sie bei ihm in der Unterwelt wohnen. Doch der aufmüpfigen Prim passt das überhaupt nicht. Schon bald schleicht sie sich in die Welt der Lebenden zurück – mit fatalen Folgen.

PRIM-a Gameplay

Sieht man von einigen minimalen Bugs ab, die zum Zeitpunkt des Release am 24. Oktober 2024 noch bestanden, ist PRIM in Sachen Spielmechanik durchweg gelungen und folgt den modernen Konventionen des Point-and-Click-Adventures: Es gibt einen Button, der sämtliche verfügbaren Hotspots in einem Raum aufleuchten lässt; dank kontextsensitiver Gestaltung können sämtliche Funktionen über eine einzelne Maustaste genutzt werden; der Doppelklick lässt Protagonistin Prim schneller laufen; und dank allzeit verfügbarer Weltkarte ist Fast Travel stets möglich.

Ein ungewöhnlicher Kniff ist, dass wir mit unserem „Spinnenauge“ – einem mit Spinnenbeinen bewehrten, eigensinnigen Augapfel – einen zweiten Charakter steuern können. Das Spinnenauge kommt immer dann zum Einsatz, wenn wir die Geheimnisse anderer Figuren ergründen oder aber kleinere Gegenstände an schwer zu erreichenden Orten einsammeln möchten. Schnell vergisst man, dass dieser äußerst nützliche Gegenstand im Inventar ist – und ärgert sich dann im positiven Sinne, wie offensichtlich so manche Lösung doch eigentlich gewesen ist.

Einige Minigames erlauben es den Spieler*innen, noch etwas mehr Zeit in der griechischen Unterwelt zu verbringen. Besonders beliebt ist hier das Kartenspiel „Sargball“, eine Art Quartett. Wenn Prim sich hier geschickt anstellt und ihr Deck mit Bedacht zusammenstellt, kann sie immer mehr Sargballkarten erhalten. Zudem gibt es zahlreiche Karten, die in der Welt versteckt sind. Der Sammeltrieb der Completionists ist vorprogrammiert!

Screenshot des Point-and-Click-Adventures "PRIM". Prim steht in ihrem neuen Zimmer in der Unterwelt. An den Wänden hängen mehrere Poster, ein Totenkopf-Schaukelpferd steht im Vordergrund, ein großes Bücherregal ziert die linke Seite des Raums.

Schwächelndes Rätseldesign

Das oben erwähnte Spinnenauge verdeutlicht auch die Probleme von PRIM – und die liegen fast ausschließlich im etwas ideenlosen Rätseldesign. Zum einen sind die Lösungen zu vielen Situationen ziemlich offensichtlich; erfahrene Spieler*innen werden hier also kaum lange nachdenken müssen. Dort, wo Rätsel etwas schwieriger sind, wird meistens das Spinnenauge gebraucht: Wir müssen Geheimnisse nicht aus den Charakteren herausmanipulieren, sondern können ihnen buchstäblich in den Kopf schauen.

Zum anderen scheut das Spiel lange Rätselketten und setzt stattdessen lieber auf geradlinige Fetchquests. Ein Großteil des Adventures besteht darin, drei Gegenstände in der Unterwelt einzusammeln. Diese Aufgaben wiederum setzen sich aus mehreren kürzeren Rätselketten zusammen, bei denen man häufig die komplette Kette in einem Bildschirm absolvieren kann.

Hat man diese drei Gegenstände eingesammelt, beginnt ein neuer Spielabschnitt – und mir werden direkt wieder vier neue Dinge präsentiert, die ich nun finden soll. Besonders ärgerlich hier ist, dass mir diese neuen Aufgaben jetzt sogar schlicht von einem Computer im Spiel gegeben werden. Die routinierten Abläufe werden also nicht einmal mehr hinter charmanten Charaktergesprächen versteckt.

Viel Flair und Atmosphäre

Screenshot des Point-and-Click-Adventures "PRIM". Zu sehen ist die Fläche vor Thanatos' Haus. Im Hintergrund erheben sich Berge, davor liegt der Fluss Styx und im Vordergrund stehen mehrere kaputte Spielgeräte.

Diese Nachteile im Rätseldesign werden von der Story und vor allem der visuellen Gestaltung aufgefangen. Das gesamt Grafik Adventure ist im Comicstil gezeichnet, der allerdings komplett in Schwarz-Weiß gehalten ist. Dadurch entsteht ein eigentümlicher Mix aus kindlichen Designs und düsterer Film noir-Stimmung.

Das passt wiederum hervorragend zur Story: Prim ist eine eigenwillige Teenagerin, die sich seit dem Tod ihrer Mutter mit der Ernsthaftigkeit des Todes auseinandersetzen muss – und dann auch noch feststellt, dass der Tod – ihr Vater – ganz schön nervig sein kann. Da steckt mehr Lebensrealität drin, als es auf den ersten Blick scheint.

Screenshot des Point-and-Click-Adventures "PRIM". Prim steht in einer dunklen Ecke des Dachbodens und sagt: "Und wir wissen alle, dass die tollsten Dinge immer an den dunkelsten Orten zu finden sind!"

Natürlich geizt PRIM auch nicht mit viel Wortwitz und Anspielungen auf bekannte Point-and-Click-Adventures wie die Monkey Island-Reihe. An einigen wenigen Stellen, beispielsweise wenn vom „Prim Reaper“ die Rede ist, rutscht der Ton allzu sehr ins Alberne ab. In den meisten Fällen sitzt der Humor jedoch an genau der richtigen Stelle – vor allem, wenn Haufenweise Wortwitze über Bäume erzählt werden.

Factsheet: PRIM

Erscheinungsdatum: 24.10.2024
Entwickler: Common Colors
Publisher: Application Systems Heidelberg
Genre: Point-and-Click
Spielzeit (ca.): 5-8 Stunden

PRIM auf Steam
Weitere Rezensionen auf www.gothicendeavors.de

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